S. Blank u.a. (Hrsg.): L'universalità del papato medievale (sec. VI–XIII)

Cover
Titel
L'universalità del papato medievale (sec. VI–XIII). Nuove prospettive di ricerca


Herausgeber
Blank, Sabrina; Cappuccio, Caterina
Reihe
Ordines
Erschienen
Mailand 2022: Vita e Pensiero
Anzahl Seiten
284 S.
Preis
€ 25,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Klaus Herbers, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Der vorzustellende Sammelband geht auf eine Tagung von 2019 zurück, die sich nicht weniger als den berühmten Satz aus dem „Dictatus papae“ von Gregor VII. zum Titel gewählt hatte: „Quod solus Romanus pontifex iure dicatur universalis“. Der damals noch gewählte anspruchsvolle Untertitel „Der päpstliche Universalepiskopat in der longue durée vom frühen bis ins hohe Mittelalter“ ist für die vorliegende Publikation in „Nuove prospettive di ricerca“ sicher zu Recht umgewandelt worden, denn gedruckt werden Einzelstudien, die sich dem Thema aus neuen Perspektiven nähern. Allerdings wird der angesprochene Leitbegriff „Universalität“ leider an keiner Stelle explizit erörtert, sodass man beim Blick auf die Auswahl der Themen sich immer wieder fragen kann, warum dies oder jenes zum Thema gehört, anderes aber weniger. Die knappe Einleitung der Herausgeberinnen hebt hervor, dass der Begriff der „Papstgeschichtlichen Wende“ (Rudolf Schieffer) nicht nur hinsichtlich der Theorie, sondern auch der Praxis genauer erörtert werden soll. Es geht dabei zugleich um Interaktionsprozesse von Zentrum und Peripherie, die in drei Blöcken behandelt werden: Theorie des petrinischen Primates, Kurie und Patrimonium Petri sowie Instrumente der Universalisierung.

Innerhalb des ersten Teils erörtert Sabrina Blank Fragen der Nichtjudizierbarkeit und von Papstwahlen. Die Rezeption in den Kanonessammlungen im 11./12. Jahrhundert deute darauf, dass der aktive Wahlkörper genauer umschrieben und der Akt der Wahl (nicht erst die Weihe) konstitutiv auch hinsichtlich der Nichtjudizierbarkeit von Päpsten werden konnte. Die zwei weiteren Beiträge von Marco Cristini und Marco Sirtoli nutzen literarische Quellen des 6. und 9. Jahrhunderts, um das in diesen Schriften sichtbare Bild von Päpsten und Papsttum zu konturieren. Nach Marco Sirtoli entstand angeblich zumindest im 9. Jahrhundert ein kohärentes Bild der Intellektuellen in der Karolingerzeit (S. 69). Dass Primatsvorstellungen dabei Universalität einschließen, wird wohl vorausgesetzt.

Der zweite Block ist zwar mit Kurie und Patrimonium Petri überschrieben, es geht aber methodisch vor allem um neue Quellenlektüre und neue Quellenfunde. So könnten die ersten drei Beiträge genauso als quellenkritische Auswertung des „Liber pontificalis“ eingeordnet werden. Andrea Verardi, ausgewiesener Kenner der Materie, untersucht die Papstwahlen vom 6. bis ins beginnende 9. Jahrhundert in dieser Quelle, Enrico Veneziani die Wahl Honoriusʼ II. 1124 in der Vita Pandolfs und Stephan Pongratz das Bild von Kardinälen und Kurie in den Papstviten des Kardinals Boso. Verardi sieht in den frühen Viten des Papstbuches auch einen Reflex auf die Entwicklung von römischer Kirche und der Stadt Rom, Veneziani erkennt in Fortführung der Thesen von Carmela Vircilllo Franklin in Pandoolfs Vita wichtige Elemente der Parteinahme zugunsten der Anakletianer und damit auch einen Reflex auf das Schisma 1130. Stephan Pongratz verfolgt mit Blick auf das Kardinalskollegium, wie das Verhältnis von tatsächlicher Autorität und der (Nicht-)Anerkennung durch den Papst in Bosos Viten erkennbar wird. Die zwei weiteren Beiträge von Eric Müller und Alberto Spataro behandeln strukturell andere Quellen. Eric Müller nimmt das unedierte Protokollbuch eines Kammernotars in den Blick, das insbesondere für die Sedisvakanz 1268–1271 wichtige Aufschlüsse über die Finanzierung des Papsttums erlaubt. Alberto Spataro fragt, ob die These von einem weitgehend erfolglosen Wirken der Päpste als Herren des Patrimonium Petri gerechtfertigt ist. Zumindest was die potestas betreffe, seien die Päpste jedoch durchaus erfolgreich gewesen, wie er am Fall Assisi darlegt.

Die Instrumente der Universalisierung rücken die Beiträge des dritten Teils in den Fokus. Maria Vezzoni für Alexander II., Caterina Ciccopiedi hinsichtlich der Bischöfe Norditaliens, Caterina Cappucccio mit Blick auf die päpstliche Kapelle und Francesco d’Angelo mit einer Detailstudie zu Skandinavien. Maria Vezzoni stellt wenig überraschend fest, dass Alexander II. aufgrund der Gegebenheiten lokaler Akteure vielfach reaktiv statt aktiv agierte. Caterina Ciccopiedi kann deutlich machen, dass die Bistumsbesetzungen in Norditalien nicht einfach von kaiserlicher in päpstliche Hand übergingen. Caterina Cappuccio unterstreicht, wie die Entwicklung der päpstlichen Kapelle auch vom Geben und Nehmen von Zentrum und Peripherie bestimmt war. Francesco d’Angelo zeichnet schließlich den langen Weg nach, den die christliche Entwicklung Skandinaviens seit der Karolingerzeit nahm.

Ein Abschnitt mit englischen Abstracts und ein Namenregister schließen den Band ab. Hätten die Herausgeberinnen dem Band auch ein Ortsregister beigegeben, so wäre eines aufgefallen: Mit Ausnahme Skandinaviens konzentrieren sich die Fallstudien auf den Raum der karolingischen Nachfolgestaaten. Dies ist nicht ganz unerheblich, wenn man über Universalität und auch über „universalizzazione“ handelt. Ein Blick auf Polen, Kroatien oder die Iberische Halbinsel würde hier weitere Aspekte einbringen, die zu einem Gesamtbild dazugehören. Insofern bieten die Aufsätze vor allem eines: neue Zugangsweisen und Perspektiven. Inwiefern dies Zugangsweisen zu Fragen des am Ausgang stehenden Zitates aus dem „Dictatus papae“ zur Universalität sind, bleibt offen; vielfach sind es einfach neue Perspektiven zur Papstgeschichte, die aber sicher noch stärker in die bisherigen Forschungen eingeordnet werden könnten. Auffällig bleibt, wie wenig die neuen Forschungsinstrumente der verschiedenen Regestenwerke genutzt wurden. Marco Sirtoli hätte mit den Bänden der Regesta Imperii zum 9. Jahrhundert sicher noch manche seiner Beobachtungen weiter untermauern können. Etwas merkwürdig wirkt, wenn Maria Vezzoni die dritte Auflage des Jaffé zitiert (S. 184, Anm. 1), alle weiteren Angaben aber nach der zweiten Auflage erfolgen. Leider wurde der 2020 erschienene Band zum „Liber pontificalis“1 nur von Stephan Pongratz zur Kenntnis genommen, der ebenso Ansätze wie im zweiten Teil des vorliegenden Bandes aufgreift und zeigt, wie mit der offiziösen Geschichtsschreibung weitere Aspekte der Papstgeschichte erschlossen werden können. Die Beiträge des Bandes belegen, wie sehr die Papstgeschichte immer wieder neue Facetten zeigt, wenn Fragehaltungen geändert werden.

Anmerkung:
1 Klaus Herbers / Matthias Simperl (Hrsg.), Das Buch der Päpste – Liber pontificalis. Ein Schlüsseldokument europäischer Geschichte, Freiburg im Breisgau 2020.

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